Informationsveranstaltung zum Thema Straßenausbaubeiträge

Keine Straßenausbaubeiträge für niemand

GEMÜNDEN. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag Günter Rudolph hat erneut die vollständige Abschaffung der Straßenausbeiträge gefordert. Der Gemündener Ortsverband der Sozialdemokraten hatte ihn zu einer Diskussionsveranstaltung nach Nieder-Gemünden eingeladen. Lukas Becker, Vorsitzender des SPD-Ortsverbands moderierte die Veranstaltung.

Ob Schulgebäude oder Straßen, in Gemünden, wie in vielen anderen Orten Hessens ist die Infrastruktur stark renovierungsbedürftig. Macht sich eine Kommune innerorts ans Werk, um beispielsweise eine Straße zu sanieren, kann sie die Anlieger an den Kosten für die Baumaßnahme beteiligen. Bis zum Mai 2018 geschah dies entweder direkt durch die Erhebung eines Straßenbaubeitrags mit einem prozentualen Anteil an der Gesamtinvestition oder durch den so genannten „wiederkehrenden Beitrag“, bei dem eine Umlage für das betroffene Gebiet gebildet wird, die von den Bewohnern anteilsmäßig zu bezahlen ist, über einen längeren Rückzahlungszeitraum.

Im Mai 2018 beschloss eine Landtagsmehrheit von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP eine Gesetzänderung, die es den Kommunen überlässt, ob sie Straßenausbaubeiträge erhebt. Verzichtet eine Stadt oder Gemeinde darauf, muss sie die Baumaßnahme aus eigenen Mitteln finanzieren. Das führte in der Praxis dazu, dass finanzstärkere Kommunen ohne die Beiträge auskommen, während finanzschwache sich das schlicht nicht leisten können. „Das gilt vor allem im ländlichen Raum. Die Kommunen hier werden benachteiligt,“ kritisierte Rudolph die gegenwärtige Gesetzeslage.

Deshalb habe die SPD-Fraktion im Hessischen Landtag einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge mit der Unterstützung durch eine Investitionspauschale aus originären Landesmitteln verbindet. Dafür müsste das Land nach Auffassung der SPD eine Summe von 60 Millionen Euro bereitstellen. „Das Hessische Innenministerium gibt an, dass die Einnahmen aus den kommunalen Straßenausbaubeiträgen 39 Millionen Euro im Jahr betragen. Unter Berücksichtigung des großen Bedarfs und möglicher Preissteigerungen halten wir die Bereitstellung von 60 Millionen für angemessen, um die Straßenausbaubeiträge zu ersetzen. Bei einem Gesamthaushalt des Landes von 29 bis 30 Milliarden Euro ist das darstellbar,“ so Rudolph.

Er stimmte die 25 Veranstaltungsteilnehmenden auf die in gut einem Jahr stattfindenden Kommunalwahl ein, bei der es Gelegenheit gebe, auch über dieses Thema abzustimmen: „Von Frau Goldbach von den Grünen gibt es nichts Goldiges zum Thema und auch Herr Ruhl und die CDU ignorieren die Ungerechtigkeiten für die Grundstückeigentümer und Kommunen im ländlichen Raum. Die SPD will die Bürgerinnen und Bürgern tatsächlich entlasten,“ sagte der SPD-Landtagsabgeordnete, der auch Kreistagsabgeordneter im Schwalm-Eder Kreis und Gemeindevertreter in der Edermünde ist.

Welche Herausforderung die von der geltenden gesetzlichen Regelung geforderte Abwägung zur Erhebung der Straßenausbaubeiträge für die Kommunalpolitik bedeutet, machte Lukas Becker am Beispiel Gemündens deutlich. Die komplette Streichung bedeute einen Einnahmeausfall von 200 000 Euro für den Gemeindehaushalt. Im aktuellen Haushalt sei man in der Lage insgesamt einen Überschuss von 50 000 Euro zu erwirtschaften. Ein Prüfantrag, den die Gemeindevertretung bereits verabschiedet hatte, habe keine neue Regelung aufzeigen können, die zu einer wirklichen Entlastung der Bürger und der Gemeinde führe, so der Gemündener SPD-Gemeindevertreter. Insbesondere eine Regelung mit Hilfe der „wiederkehrenden Beiträge“ sei viel zu bürokratisch und mit viel zu großem Verwaltungsaufwand verbunden, um von einer kleinen Gemeinde sinnvoll umgesetzt werden zu können. Darin waren sich alle Diskussionsteilnehmenden einig.

Große Zustimmung erhielt die SPD-Position von Gerold Beckmann, der aus Grebenhain nach Gemünden gekommen war. Er hat die „Bürgerinitiative straßenbeitragsfreier Vogelsbergkreis“ (BI-Strabs-VB) mitgegründet, die bereits vielfältige Aktivitäten entwickelt hat, um für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zu werben. Im Moment müsse jede kommune für sich entscheiden, wie sie auf der Basis des geltenden Gesetzes eine für sich passende Lösung finde. Als gelungene Lösung sah er das „Drei-Säulen-Modell“ der Gemeinde Eichenzell an. Danach werden erstens die der Kommune jetzt aus dem Landesprogramm „Starke Heimat Hessen“ verbleibenden Gelder zur Gegenfinanzierung von Straßenbaumaßnahmen eingesetzt, die zweitens durch eine Erhöhung der Grundsteuer B um 100 Punkte sowie drittens um ein geringe Anhebung der Gewerbesteuer ergänzt werden. Beckmann rückte auch den Aspekt des Klimaschutzes in das Blickfeld: „Das Geld, dass man für die Straßenausbaubeiträge in den Kommunen ausgeben muss, fehlt für sinnvolle Klimaschutzmaßnahmen, wie beispielsweise die energetische Gebäudesanierung.“ Er empfahl die Frage der Abschaffung der Straßenausbaugebühren in Form von Wahlprüfsteinen für die Parteien im kommenden Kommunalwahlkampf zum Thema zu machen.